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Besuch bei der Flevoland-Loge in den Niederlanden

Im Jahr 2024 besuchten uns drei Brüder der niederländischen Flevoland-Loge Nr. 83 in Amriswil. Nun wurde durch unseren Obermeister Heinz Leuenberger ein Gegenbesuch organisiert.
Besuch bei der Flevoland-Loge in den Niederlanden
Die Brüder der Flevoland-Loge und der Henri-Dunant-Loge anlässlich der gemeinsamen rituellen Sitzung in Lelystad. Fotos: Heinz Ryffel

Frühmorgens am 22. März, um 6.30 Uhr, starteten neuen Brüder den langen Weg nach Lelystad (NL). Mit einem kleinen Bus samt Fahrer waren wir 11 Stunden unterwegs und kamen guter Laune im Hotel an. Zwei Tage mit einem strengen, aber sehr interessanten Programm warteten auf uns. Die beiden Altmeister Flevoland-Loge Ab Langerijs und Wim Hijink betreuten uns bestens.

Am ersten Tag besuchten wir die «Arbeiterinsel» in Lelystad Haven, wo die ersten Arbeiter, welche die Deiche und Polder für die Landgewinnung bauten, mit ihren Familien zu Hause waren. Bei einer Schleuse sahen wir deutlich, dass Lelystad zirka 5 Meter tiefer als der Meeresspiegel liegt. Lelystad bekam seinen Namen von Cornelis Lely (1854 -bis 1929), Bauingenieur und Minister für Wasserwirtschaft der Niederlande. Die Provinz Flevoland ist ein Polder mit weit mehr als 1’000 km2 Fläche: alles dem Meer durch Deiche abgerungen!

 

Dem Meer abgerungen

Altmeister Ab erzählte uns über die Anfänge von Lelystad, welches erst 1965 gegründet wurde. Heute zählt Lelystad zirka 82’000 Einwohner. Die gesamte Infrastruktur, jede Strasse, jeder Kanal für die Entwässerung, jedes Haus, jede landwirtschaftliche Fläche, alles musste geplant und dann umgesetzt werden. Die Landwirtschaftsflächen wurden aufgeteilt in Flächen von zum Beispiel 800 mal 300 Meter. Insgesamt wurden drei weitere Dörfer gegründet. Heute findet man eine Landschaft vor, die den eindrucke macht als hätte sie immer so ausgesehen. Aber sie ist erst zirka 70 Jahre alt, früher war hier alles Meer!

Anschliessend besuchten wir die Skulptur von Antony Gromly «Exposure» am Ende eines Deichabschnittes. Eine 25 Meter hohe Statue aus 1800 Eisenteilen zusammengehalten von 14’000 Schrauben und einem Gesamtgewicht von 44 Tonnen. Ein eindrückliches Monument.

Der nächste Höhepunkt war dann der Besuch des Museums Batavialand. Mehr als 100’000 Objekte umfasst die maritime Sammlung von geborgenen und geretteten Objekten aus der Umgebung und der Zuiderzee. Im Ausstellungsraum erfuhren wir Vieles über die Geschichte von Flevoland: auf einer 60 Meter langen gestickten Leinenwand wird die Geschichte der letzten 200’000 Jahre dargestellt. 25 Frauen haben daran während 14 Jahren gestickt! Ein einzigartiges Kunstwerk und sehr eindrücklich. Der mühsame, zeit- und arbeitsintensive Deich- und der weltweit grösste Polderbau wird mit einzigartigen Bilddokumenten dargestellt. In einem weiteren Raum werden uralte vor Ort gefundene und ausgegrabene Handelsschiffe ausgestellt.

In der Batavia-Werft werden nach historischer Handwerkskunst alte Schiffe rekonstruiert. Hier kann man dem Holzbildhauer zusehen, wie die alten Grundstrukturen der Schiffe gebaut, wie die riesigen Segel genäht und wie die Taue und die hohen Masten aus einem einzigen Baumstamm hergestellt werden. Alles sehr anschaulich, echt und überaus eindrücklich. Am Schluss ging es dann noch auf die Batavia: die Rekonstruktion eines Handelsschiffes aus dem 17. Jahrhundert. Es wurde originalgetreu, mit den damaligen Mitteln und Können der Handwerker aufgebaut. Heute ist es ein Museumsschiff und steht den Besuchern offen. Eindrücklich, wenn man sich vorstellt, wie damals die Seeleute bis zu 8 Monaten auf diesem Schiff leben und arbeiten mussten.

 

Die Buchhandlung «Bof» 

Am zweiten Tag stellten uns Ab und Wim die Buchhandlung «Bof»  (Boekenverkoop Odd Fellows) vor. Hier können Bücher gratis abgegeben werden. Diese werden aufbereitet, katalogisiert und dann zum Wiederverkauf vor Ort oder online angeboten. Wenn das Buch durch einen Briefkastenschlitz passt, kostet es 1 Euro, wenn nicht, dann 2 Euro. Das Geschäft läuft sehr gut und es ermöglicht der Flevoland-Loge so jedes Jahr sehr viele karitative Institutionen zu unterstützen. Das bedingt aber auch einen sehr grossen Einsatz von einigen Brüdern und deren Partnerinnen für dieses Projekt.

Besuch bei der Flevoland Loge in den Niederlanden

Anschliessend fuhren wir dann zum OF-Haus der Flevoland-Loge in Dornten. Dort erläuterte uns Ab in einem Vortrag die Geschichte der Wasser- und Polderentwicklung in den Niederlanden. Sehr grosse Teile des Landes befinden sich unter dem Meeresspiegel. Nach dem gemeinsamen Mittagessen besuchten wir den Gemüsebetrieb «Zonneheerdt-Bauernhof» von Bruder Martin Topper. Er führt diesen Betrieb in dritter Generation. Alle Produkte sind nach Global G.A.P. (Good Agricultural Practice) zertifiziert und werden weltweit vermarktet. Hier werden bis zu 40 Tonnen Gemüse täglich verarbeitet. Wir konnten fünf verschiedene Rüebliarten, drei verschiedenen Randensorten und dazu noch Pastinaken und Petersilienwurzel verkosten. Der gesamte Prozess von der Ernte über das Waschen und Sortieren findet auf dem Hof statt, jetzt noch halbautomatisch, bald aber mit einer vollautomatischen visuellen Aufbearbeitungsanlage. Das alles benötigt viel Energie, welche durch eigene Windräder produziert wird. Durch einen anderen Bruder der Flevoland-Loge hatten wir dann die Gelegenheit, ein solches Windrad zu besichtigen. Dabei haben wir viel Interessantes über Aufbau und Betrieb erfahren. Ein Windrad bringt eine Leistung von zirka 6.7 MW/h und verursacht fast keinen Lärm mehr. Aber die Investitionen sind mit 3 bis 4 Millionen Euro pro Windrad sehr hoch.  Etwa nach 10 Jahren Betriebsdauer sollte es rentabel werden (abhängig vom geltenden Strompreis).

 

Gemeinsame rituelle Sitzung

Am Abend dann der Höhepunkt. Wir waren zur gemeinsamen rituellen Sitzung in ihrem Logenhaus in Dornten eingeladen. 29 Brüder und wir neun Gäste waren anwesend und feierten im Grad der Reinheit, was unserem Grad der Achtsamkeit entspricht. Der Ablauf war sehr ähnlich: die Eröffnung und Begrüssung, Gedenken an die Verstorbenen Brüder, Mitteilungen der Komitees, Vortrag eines Bruders, Beitrag zum Besten des Ordens, dann Schlussbemerkungen des Untermeisters und Schliessung durch den Obermeister. Der Unterschied zu uns lag darin, dass kein Protokoll verlesen wurde und der Altmeister erinnerte nicht an die Ordensgrundsätze. Es war eine sehr feierliche Sitzung. Bruder Altmeister Ab interpretierte zwei Bücher: «der gute Vorfahr» von Roman Krznaric und «A Life on Our Planet» von David Attenborough.

Der durch den Menschen selbst verursachte Klimawandel und durch unser Wirtschaftssystem, bei dem Wachstum und Profit über allem steht, bewegen wir uns momentan in die falsche Richtung, die Welt läuft Gefahr ökologisch und humanitär ausser Kontrolle zu geraten. Anhand unserer Denkweisen sollten wir das kurzfristige Denken gegen ein langfristiges Denken, welches unbedingt nachhaltig ist, umspuren. Dies ist aber für unser Gehirn sehr schwierig. Wir sollten bei unseren Entscheidungen für die Zukunft immer die Frage miteinbeziehen: profitiert die siebte Generation nach uns auch davon? Ein sehr aufwühlender Vortrag von Bruder Altmeisetr Ab, der sehr zum Nachdenken anregte. Der Vortrag wurde anschliessend auch sehr intensiv im Refektorium diskutiert.

Die Flevoland-Loge hat den gesamten Ablauf der Loge und auch den Vortrag von Bruder Altmeister Ab auf Deutsch übersetzt und so konnten wir allem sehr aufmerksam folgen. Das war super!

Bruder Obermeister Heinz Leuenberger bedankte sich bei den Brüdern der Flevoland-Loge und insbesondere bei Altmeister Ab Langerijs und Altmeister Wim Hijink für die Super-Gastfreundschaft und die sehr interessanten Begegnungen und Erfahrungen, welche wir in den beiden Tagen geniessen durften. Bruder Altmeister Markus Oettli bedankte sich ebenfalls und erinnerte an den Beginn der Freundschaft zwischen ihm und Bruder Altmeister Ab während ihrer gemeinsamen Tätigkeit in der europäischen Gross-Loge.

Mit sehr vielen positiven und unvergesslichen Eindrücken beladen reisten wir dann am vierten Tag wieder heimwärts. Die Pflege dieser Freundschaft wird uns weiterhin sehr am Herzen liegen.

Einen besonderen Dank geht an unseren Obermeister Heinz Leuenberger, welcher diese Reise minutiös vorbereitet hat.

Heinz Ryffel

Über den Autor

Heinz Ryffel ist Odd Fellow und Mitglied Henri-Dunant-Loge, Thurgau.

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