Die Ouvertüre zu eurem Jubiläumsjahr ist ein Konzert mit eurem Altmeister Jean-Jaques Schmid gewesen. Ist es nicht schon etwas Besonderes, einen solchen Künstler in den eigenen Reihen zu haben?
Hans Dreyer: Tatsächlich, wir sind sehr privilegiert einen Konzertpianisten wie Jean-Jacques zu unserer Bruderschaft zählen zu dürfen. Besondere Anerkennung geniesst er ja als Interpret der Werke von Liszt und Rachmaninoff. Am 5. März, anlässlich unseres Jubiläumskonzerts, legte Jean-Jacques eine Performance hin, die seinesgleichen sucht. Alle waren begeistert.
Kannst du deine Empfindungen beim und nach dem Konzert schildern?
Ich war ganz benommen, fast entrückt, wie viele andere wohl auch. 70 Minuten am Stück Klavier zu spielen ist an sich schon eine bemerkenswerte Leistung. Aber auch das Zuhören verlangte einiges ab! Natürlich haben mir die «Six Moments Musicaux» Op.16 von Sergej Rachmaninoff gefallen, das wunderbar gespielte Adagio in h-Moll KV 540 von Mo- zart. Der Höhepunkt war für mich aber ganz klar das „Hexaméron“ von Franz Liszt, unglaublich! Und diese Stimmung in der prallvollen Logenhalle, mit den erleuchteten Fenstern, verlieh eine wunderbare Ambiance. Man muss es erlebt haben, es ist schwierig dies mündlich auszudrücken.
Welche Festanlässe folgen noch im Jubiläumsjahr?
Insgesamt haben wir drei Anlässe: Das Jubiläums-Klavierkonzert vom 5. März liegt hinter uns. Am Samstag, 25. Mai 2024 findet der Jubiläumsausflug der «Bubenberger-Familie» zum Schloss Spiez statt. Wir haben dieses Ausflugsziel deshalb gewählt, weil darin bekanntlich der Namensgeber unserer Loge residierte: Schultheiss Adrian von Bubenberg. Als «Held von Murten» ist er in die Geschichte eingegangen. Anlässlich einer Schlossführung werden wir seine Lebenswelt erfahren, welche Schicksalschläge ihn während seines Lebens ereilten und wie er die Berner, eidgenössische und europäische Geschichte beeinflusste. Wir werden dort auch eine kleine Zeitreise durch die 1300 Jahre alte Geschichte der Schlossanlage machen und durch historische Räume gehen. Vom Schlossturm hat man bekanntlich einen prächtigen Rundumblick auf den Thunersee und die Berge. Die offizielle Jubiläumsfeier wird schliesslich am Samstag, 26. Oktober 2024 stattfinden, wozu alle Logen eingeladen werden. Ich kann dazu soviel verraten: es ist uns gelungen, einen sehr prominenten Gastreferenten zu gewinnen.
All dies bedingt eine intensive Vorbereitung. Seit wann läuft die Planung und wie viele Brüder sind wie darin eingebunden?
Jemand sagte einmal: «If you fail to plan, you plan to fail.» – Das erste Treffen des Organisationskommittees zum Jubiläumsjahr fand bereits im Juli 2023 statt! Wir sind ein OK von vier Brüdern: Thomas Müller, Roland Blaser, Beni Affolter und ich. Das Programm mit Budget wurde vom Beamtenkomittee bereits im August 2023 genehmigt. Ja, es erfordert Energie, Dranbleiben und eine umsichtige, beharrliche Planung. Gerade bei solchen Anlässen gilt es, rechtzeitig zu agieren, sei es für eine Reservation, die Verpflichtung eines gefragten Referenten oder eines engagierten Konzertpianisten. Anderes Beispiel von vorausschauender Planung: am Wochenende unseres Mai-Ausfluges dieses Jahres zur Spiezer Schlossterrasse, mit gewünschtem Apéro unter den Kastanien und Blick auf Thunersee und Berge, konkurrierten wir mit Hochzeitsgesellschaften. Da hatte es der Namensgeber unserer Loge noch einfacher. Der wunderbare Ort ist sehr beliebt für Anlässe aller Art, er wird oft bis zu 1 Jahr im Voraus gebucht! Das verlangte auch bei uns eine rechtzeitige Planung, sonst hätte es nicht geklappt mit diesem Programm.
Was aus den 75 Jahren Logenleben sollten unsere Leserinnen und Leser wissen?
So trivial es klingt, so wichtig ist es: die Qualität unseres Logenlebens hängt wesentlich davon ab, wie engagiert sich die Brüder daran beteiligen, sich aktiv einbringen. Die Loge ist nicht einfach ein anonymes Wesen, wo man hingeht, eine Organisation oder eine Halle. Nein! Die Loge, das sind Menschen mit ihren Geschichten, Ambitionen, Bedürfnissen, Ängsten, Hoffnungen und so weiter, mit den unterschiedlichsten Biographien und Lebenserfahrungen. Wir haben bei den Bubenbergern einen interessanten Mix in vielerlei Hinsicht und einen positiven Spirit. Dieser Geist herrschte, so glaube ich, über all diese Jahre und er wird gelebt, auch weitergegeben. Das habe ich erfahren, als ich eintrat. Man ist füreinander da, springt ein, wenn «Not am Mann ist», was sich auch in ganz kleinen Dingen zeigt. Dies habe ich in meinen inzwischen rund 13 Jahren in der Adrian von Bubenberg-Loge immer wieder aufs Neue erfahren dürfen.
Kannst du mit wenigen Worten umschreiben, was die Bubenberg-Loge für dich bedeutet?
Die Loge stellt für mich oft eine Art ‘Rückzugsgebiet vom Alltag’ dar, wie ein «Hafen» für ein Schiff auf offener See. Dort kann ich «hineinfahren» um «herunterzufahren, vor allem dann, wenn es draussen wieder einmal allzu stürmisch zu und hergeht. Die Zeit, die ich in der Loge finde, kann man auch «Zeit für die Birne» nennen, diese wertvolle Zeit, die wir alle brauchen, um zu uns selbst zurückzufinden, mit anderen. Im Moment fordert mich die Loge zwar stark, da ich in den letzten 2 Jahren UM gewesen bin und jetzt OM. Nach der Pandemie herrschte ein grosses Bedürfnis nach Wiederbelebung der sozialen Kontakte unter den Brüdern. Während der COVID-Krise stand ja quasi alles still. Es gab grossen (sozialen) Nachholbedarf. Indem ich als UM im 2022 und 2023 12 externe Anlässe organisierte, lernte ich die Loge auch besser kennen, die Brüder mit ihren Angehörigen. Das war auch bereichernd. Engagement bringt auch immer Identifizierung mit sich. Das jetzige Jubiläumsjahr zusammen mit den Brüdern zu planen und durchzuführen ist eine schöne Erfahrung, es schweisst zusammen. Es ist auch schön, auf wieviel Offenheit, Neugier, Toleranz sowie gegenseitigen Respekt ich in dieser Loge stosse. Das ist enorm wichtig fürs Zusammensein, ich denke für jeden einzelnen von uns. Jeder wird so akzeptiert, wie er ist.
Wohin führt der Weg der Bubenberg-Loge?
Ja, Quo vadis L-22?! Wenn ich das wüsste! Hoffentlich in die nächsten 75 Jahre! Ich bin ein optimistischer Realist. Die Loge konnte immer wieder auch jüngere Mitglieder aufnehmen, auch in den letzten Jahren. Das ist enorm wichtig für ein nachhaltiges Logenleben. Ja, es gibt diesen «Triggerpunkt», wo eine gewisse Anzahl jüngerer Brüder wiederum auch weitere jüngere Brüder anzuziehen mag, und so ein Schneeballeffekt entstehen kann. An diesen Triggerpunkt wieder heranzukommen ist für jede Loge heute eine grosse Herausforderung. Sonst kann es kippen, leider. Ich will auf keinen Fall ältere Brüder geringschätzen, im Gegenteil. Von ihnen kann man so vieles lernen. Die jetzigen älteren Brüder – zu denen ich mich immer mehr auch zähle – stammen aus einer Generation, die eine gewisse Bescheidenheit hat das «sich vermarkten» stand nicht im Zentrum. Wir müssen das Marketing gegen aussen in Zukunft aber besser machen. Nicht auf die billige Art, aber im modernen Aufzeigen und kommunizieren unseres Profils. Die Nachfrage existiert, aber wir müssen bedenken, wie dies auch in der natürlichen Evolution aller lebenden «Organismen» gilt: das längerfristige Überleben der Loge, betrachtet als «Organismus», hängt letztlich ab von drei Fähigkeitkeiten: der Fähigkeit sich an die Umwelt anzupassen, der Fähigkeit «Ressourcen» (einschliesslich neue Mitgleider) anzuziehen und nicht zuletzt der Fähigkeit einen Nutzen zu stiften.
Kurzer geschichtlicher Überblick der 75 Jahre L-22
Von Hans Dreyer, Obermeister, Adrian-von-Bubenberg- Loge
Die Adrian von Bubenberg-Loge entstand aus der 1873 gegründeten Fellenberg-Loge Nr. 3 in Bern, welche 1948 einen Bestand von über 300 Mitgliedern aufwies. Durch diese Grösse konnte der enge Kontakt untereinander – was Voraussetzung für das Wirken einer Loge ist – nicht mehr zufriedenstellend gewährleistet werden. Daher wurde die Möglichkeit zur Neugründung einer Loge von einigen Fellenberg-Brüdern wahrgenommen, welche 1948 vom Gross-Sire dazu ermächtigt wurden.
Das Gesuch um Erteilung des Freibriefes, unterzeichnet von mehr als 20 Brüdern der Fellenberg-Loge, wurde dem Bundesbüro am 20. März 1948 vorgelegt. Dieses stellte den Freibrief in Aussicht, verbunden mit Auflagen, wie Erstellung eines Finanzplanes, Erledigung der notwendigen Vereinbarungen mit den anderen Berner Logen bezüglich des Eigenheimes, der gemeinsamen Kassen und natürlich, dass die Trennung im Geiste der Odd Fellows durchzuführen sei.
Diese Arbeiten beanspruchten praktisch das ganze Jahr 1949. Weil alle Rahmenbedingungen erfüllt werden konnten, bestätigte das Bundesbüro am 3. Dezember 1949 den Freibrief mit Wirkung auf den 1. Januar 1950.
Eine Herausforderung für die Gründer war natürlich der Name der neuen Loge. Aus einer Fülle von Vorschlägen wurde – in Anlehnung an die zwei anderen Berner Logen, welche die Namen von hochverdienten Berner Patriziern tragen – Adrian von Bubenberg – gewählt. Er sollte den Brüdern fortan durch das Beispiel seines Wirkens und seiner Geisteshaltung als erstrebenswertes Vorbild vor Augen stehen. Adrian von Bubenberg hatte als Ritter eine hohe soziale Stellung und als Vertrauter Karls des Kühnen gute gesellschaftliche Beziehungen. Insbesondere hat er seine Persönlichkeit uneigennützig und in allumfassendem Sinne für das Wohl der Allgemeinheit eingesetzt. Würde die Loge heute gegründet, so dürfte die Wahl des Namens wohl anders ausfallen. Das zeigen gewisse Diskussionen in den Medien. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der 2. Weltkrieg gerade mal 5 Jahre vor der Gründung der Adrian von Bubenberg Loge zu Ende ging. – Historisches Bewusstsein ist heute mehr denn je gefragt. Wir können nicht wissen, wohin wir gehen, wenn wir nicht wissen, woher wir kommen.
Der 20. Dezember 1949
Schliesslich wurde am 20. Dezember 1949 die Adrian von Bubenberg-Loge Nr. 22 gegründet. Die Urkunde trägt die Originalunterschriftren der ersten 22 «Bubenberger». Die feierliche Installation der Loge und die Einsetzung der Beamten erfolgte am 7. Mai 1950.
Der neue Spross im Odd-Fellowbund begann gleich kräftig zu treiben und iintensiv am Werk zu arbeiten. Der jungen Loge lag es am Herzen, mit verschiedenen auswärtigen Logen durch Besuche, Gegenbesuche und gemeinsame Treffs Fühlung aufzunehmen, um brüderliche Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Obwohl der Hauptakzent in der anspruchsvollen Logenarbeit lag, wurden doch immer wieder gesellschaftliche Anlässe mit viel Initiative und organisatorischem Talent durchgeführt. Diese vertieften das Zusammengehörigkeitsgefühl der Brüder und ihrer Familien und haben ihre Wirkung bis in die heutige Zeit übertragen. Nach wie vor werden diese Anlässe auch von Gästen und Interessierten oft und gerne besucht, geben sie ihnen doch einen guten Einblick in unser Logenleben.
Mit Dankbarkeit dürfen wir feststellen, dass sich die Loge stetig weiterenwickeln konnte. Einzig die Mitgliederzahl hat über die Jahrzehnte abgenommen, dies auch infolge des gesellschaftlichen Wandels. Zählte die Loge im Jahr 2000 rund 70 Brüder, so sind es im Jahr 2024 noch 44 Brüder. Wichtiger als die effektive Zahl ist jedoch die aktive Mitwirkung aller Brüder am Logenleben: besser Klasse als Masse! Ich wage auch zu behaupten, dass die Qualität des Austauschs, der ‘Spirit’ unten den Bubenbergern, wohl noch sehr ähnlich ist wie in den Gründerjahren. Besonders schön ist, dass es uns immer wieder gelingt, auch viel jüngere Brüder in die Loge aufzunehmen und so den Austausch und das Verständnis zwischen den Generationen in diesem Rahmen zu pflegen. Dennoch stellen wir uns immer wieder die Frage, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden und sich die Loge in der Gemeinschaft der Odd Fellows als Stätte brüderlichen Wirkens nach den Werten des Ordensgründers Thomas Wildey als würdig und wertvoll erweist.
Es ist unser Bestreben, neuen Mitgliedern der Adrian von Bubenberg-Loge die Werte des Odd Fellow-Ordens näher zu bringen. Dabei bauen wir auf ihre Bereitschaft, aktiv am Logenleben teilzunehmen, damit sie ihrerseits unsere Ideale und Ziele mittragen und auch weitervermitteln. Nur so kommen wir unserem hochgesteckten Ziel näher: Die Verbündung aller Menschen in Freundschaft, Liebe und Wahrheit.