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Im Geist und im Herzen offen sein für Neues

Die diesjährige Sommer-Zusammenkunft des Eidgenossen-Lagers fand in dem historischen Umfeld des Schlosses Heidegg in Gelfingen am Baldegger See statt. Dabei fungierte das Eidgenossen-Lager gleich selbst als Gastgeber. Das Sommerlager hatte ausserdem ein Novum: zum ersten Mal wurde die Sitzung im Grad der Gastfreundschaft durchgeführt.
Im Geist und im Herzen offen sein für Neues
Das Eidgenossen-Lager hatte ein besonders Novum: zum ersten Mal wurde eine Rituelle Sitzung im Grad der Gastfreundschaft durchgeführt. Foto: Uwe Guntern

Schloss Heidegg in Gelfingen war der malerische Tagungsort. Über dem Baldeggersee im Luzerner Seetal gelegen, besitzt es eine der ältesten, erhaltenen Schlossanlagen im Kanton Luzern und blickt auf eine über 800-jährige Geschichte zurück. Einst als Wehrturm erbaut, wurde es später zu einem herrschaftlichen Landsitz mit Wohngebäude, Schlosskapelle, Reben und Rosengarten umgestaltet.

Heute ist Schloss Heidegg ein lebendiges Museum. Besucherinnen und Besucher erleben dort nicht nur historische Räume, sondern auch interaktive Ausstellungen, etwa im alten Dachstock oder im mittelalterlichen Keller. Während für die Mitglieder des Eidgenossen-Lagers die Rituelle Lagersitzung im Schlosssaal begann, machten sich die Teilnehmenden des Begleitprogramms auf den Weg zu einer Führung. Dort erfuhren sie mehr über: «Leben und Lieben auf Heidegg».

Im Geist und im Herzen offen sein für Neues
Die Rebekkas, die am Sommerlager teilgenommen haben, in der Blütenpracht des Rosengartens Foto: Daniele Eggimann

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Zentrale Werte des Ordens wieder stärker ins Zentrum rücken

Wie erwähnt fand das Eidgenossen-Lager erstmals im Grad der Gastfreundschaft statt. Dies geschah im Rahmen der neuen Zielsetzung der Ordensleitung, die beabsichtigt, die zentralen Werte des Ordens wieder stärker ins Zentrum zu rücken. Gastfreundschaft war dann auch das Hauptthema der Sitzung.

Haupt-Patriarch Karl-Eiermann betonte in seiner Rede, dass sich Gastfreundschaft im Kern stets um Menschen drehe. Er faste zentrale Werte dieses Begriffs in Schlagworten zusammen. Etwa Selbstbewusstsein, das heisst: «Ich bin so, wie ich bin», sowie Gästebewusstsein, das anerkennt: «Du bist so, wie du bist.» Dazu kommen Verbundenheit, also gegenseitiges Verständnis, Vorfreude, die sowohl Gastgeber als auch Gast empfinden sollten, sowie Ausrichtung, die gemeinsame Interessen fokussiert, und Präsenz, bei der Körper und Geist ganz beim Gegenüber sind. Diese Prinzipien seien, wie er betonte, «nicht nur theoretische Ideen», sondern umsetzbare Werte, die das Gästeerlebnis wirklich bereicherten.

Respekt, Hilfsbereitschaft und GrosszügigkeitWeiter führte der Haupt-Patriarch aus, dass Gastfreundschaft die freundliche Aufnahme und Bewirtung von Gästen im eigenen Zuhause bezeichne. Sie gehe mit Respekt, Hilfsbereitschaft und Grosszügigkeit einher. Früher sei sie sogar eine überlebenswichtige Tugend gewesen. «Heute stärkt sie vor allem das soziale Miteinander», stellt.

Mit Blick auf die Gegenwart fragte er, wie sich Gastfreundschaft in unserer heutigen, turbulenten Zeit überhaupt noch umsetzen lasse. Im Ritual des Eidgenossen-Lagers erinnere man sich an die Patriarchen des Alten Testaments, wobei der sogenannte «Patriarchen-Grad» dem Thema Gastfreundschaft gewidmet sei. Es heisse dort, man sei verpflichtet, «jeden zu empfangen – ob erwartet oder nicht». Doch ob dieser Vorsatz angesichts übervoller Terminkalender, permanenter Hektik und zunehmender Individualisierung noch lebbar sei, bezweifelte er.

Der Haupt-Patriarch sprach von einem «Nebeneinander» statt einem echten Miteinander und stellte fest, dass viele Menschen sich in digitale Kommunikation flüchteten – möglicherweise aus Angst vor Enttäuschungen im realen Leben. Diese neue Cyberwelt biete bequeme Verbindungen ohne emotionale Risiken: «Ein Chatbot sagt nicht kurzfristig den lange geplanten Wochenendtrip ab», bemerkte er kritisch. Dieser Cyberfreund bewerte nicht, stelle keine moralischen Fragen und bleibe stets verlässlich – das aber habe mit echter menschlicher Begegnung wenig zu tun.

Trotzdem, so betonte Karl Eiermann, bleibe Freundschaft – das habe sich nicht verändert. Doch in Zeiten zunehmender Vereinsamung, die er eine «Einsamkeitsepidemie» nannte, stelle sich die Frage nach echter zwischenmenschlicher Verbindung umso drängender. Einsamkeit mache nicht nur körperlich und seelisch krank, sondern könne auch empfänglich für radikale Gedanken machen. Wer sich immer mehr zurückziehe, verliere Empathie für andere, sei es für Andersdenkende, Kollegen oder Familienangehörige.

 

Man lernt sehr viel von anderen Menschen
Dabei sei es eigentlich ganz einfach, auf Menschen zuzugehen und sich innerlich mit ihnen zu verbinden. Was es dafür brauche, seien Geduld und Toleranz. Diese innere Verbindung mit anderen könne sehr schnell entstehen, manchmal brauche es etwas länger: «Eines ist gewiss: Man lernt sehr viel von anderen Menschen.»

Manchmal spring bei neuen Bekanntschaften sofort der berühmte Funke. Doch wenn es dann darum gehe, diese Verbindung zu pflegen, werde es schwieriger – oft verhindere der Blick in den Terminkalender eine Wiederbegegnung. Dann stehe man vor der Entscheidung: «War es nur eine gute Begegnung – oder habe ich eine mögliche Freundschaft vertan?» Gastfreundschaft zu leben, sei mit «harter Arbeit» verbunden. Doch ein fein gedeckter Tisch, gutes Essen und tiefe Gespräche seien Balsam für die Seele – und genau das sei es, was echtes Gastsein und Gastgebersein ausmache.

Eindrucksvoll schilderte der Haupt-Patriarch ein persönliches Erlebnis, das ihm gezeigt habe, dass Gastfreundschaft auch gegenüber völlig Fremden möglich sei. Vor zwei Monaten sei er mit Freunden unterwegs gewesen, mit einem geplanten Zwischenhalt bei Bekannten dieser Freunde – Menschen, die sich seit über 40 Jahren nicht mehr gesehen hatten. Dennoch sei die Aufnahme warm und herzlich gewesen. «Wir selbst waren ja völlig fremd, wurden aber empfangen wie alte Freunde»

Das Fazit lautete: Man solle offen sein – im Geist und im Herzen – für Neues. Dies gelte für den Gastgeber ebenso wie für den Gast. Und abschliessend wünschte er allen, dass auch sie viele solcher Begegnungen und Freundschaften erleben dürften, «die man hegt, geniesst und pflegt».

 

Das erste Gebot des Patriarchen ist die Gastfreundschaft
Auch Alt-Gross-Sire Urs Zeller hatte seinen Vortrag dem zentralen Wert des Patriarchen-Grades – der Gastfreundschaft – gewidmet. Er erinnerte daran, dass «das erste Gebot des Patriarchen die Gastfreundschaft» sei. Diese grundlegende Haltung verdiene besondere Aufmerksamkeit, nicht zuletzt deshalb, weil sie in vielen Kulturen, Religionen und Epochen unterschiedlich gelebt und interpretiert werde.

Er fragte in diesem Zusammenhang, was man heute eigentlich unter Gastfreundschaft verstehe. Sie habe sich im Laufe der Jahrhunderte stark verändert, ebenso wie die Gesellschaft selbst. In der Literatur werde Gastfreundschaft oft als Vertrauen, Zuwendung und Dienstbereitschaft gegenüber Fremden beschrieben, die bei ihrer Beherbergung, Bewirtung und Unterhaltung entgegnet werde. Für ihn beginne das Verständnis von Gastfreundschaft jedoch bei jener, auf die sich das Ritual des Ordens beziehe – der orientalischen Gastfreundschaft.

Diese habe ihren Ursprung in den Wüstenregionen der Arabischen Halbinsel. Der Alt-Gross-Sire führte aus, dass es dort unter den Beduinen als eine heilige Pflicht galt, Bedürftigen Gastfreundschaft zu gewähren. Dies sei eine Frage des Überlebens gewesen – und mehr noch: eine Frage der Ehre.

Ein unantastbares Gut 
Auch in der Ethik und den Religionen wurzele die Gastfreundschaft tief, betonte Urs Zeller. Sie sei eine religiös fundierte Praxis, die sich durch sämtliche Kulturen ziehe – bereits polytheistische Religionen hätten sie als bedeutende Pflicht angesehen. In manchen Kulturen gelte sie sogar als unantastbares Gut – ein Bruch des Gastrechts könne zur Verlust der Ehre führen. Dem Gastgeber komme nicht nur die Verantwortung zu, seinen Gast aufzunehmen und zu versorgen, sondern auch, ihn im Notfall mit allem Einsatz zu verteidigen – oder zu rächen, sollte ihm etwas zustossen.

Der Alt-Gross-Sire verwies in diesem Zusammenhang auch auf konkrete Regeln, die in alten Kulturen herrschten: Bei nomadischen Völkern in Vorderasien etwa habe die Dauer eines Gastaufenthaltes drei Tage und vier Stunden betragen – während dieser Zeit sei der Gast praktisch als Teil des Stammes betrachtet worden. Auch die Aborigines pflegten mit dem Tanderrum ein rituelles Aufnahmeverfahren für Gäste.

In der katholischen Kirche zähle die Gastfreundschaft zu den sieben Werken der Barmherzigkeit, während sie in der orthodoxen Kirche einen eigenständigen liturgischen und künstlerischen Schwerpunkt bilde. Ebenso sei sie im Judentum und Islam tief verankert. Besonders in Gesellschaften ohne stabile Infrastruktur habe die religiös fundierte Gastfreundschaft das Überleben von Reisenden ermöglicht – sie sei somit auch eine Grundlage für Handel und Austausch gewesen.

Ein besonders eindrückliches Bild zeichnete Zeller vom Motiv der Gastfreundschaft in der Literatur. Er erwähnte die Ballade «Die Füsse im Feuer»von Conrad Ferdinand Meyer, in der einem Reiter trotz erlittenem Unrecht Unterschlupf gewährt werde. Auch «Mateo Falcone» von Prosper Mérimée beschreibe das dramatische Zerreissen des Gastrechts, was schliesslich zur tödlichen Konsequenz durch den eigenen Vater führe – im Namen der Ehre. Besonders bewegend sei auch Albert Camus’ «Der Gast», in dem ein Lehrer gezwungen werde, einen Gefangenen aufzunehmen, und ihm schliesslich die Wahl überlasse, ob er den Weg zur Freiheit oder zur Präfektur einschlage. Auch dort sei das Gastrecht nicht nur ein äusseres Ritual, sondern ein moralisches Dilemma, das den Einzelnen zutiefst herausfordere.

Der Alt-Gross-Sire erwähnte zudem den Stummfilm «Verflixte Gastfreundschaft» mit Buster Keaton, in dem der Protagonist nur durch das traditionelle Gesetz der Gastfreundschaft davor bewahrt werde, im Haus seiner Widersacher erschossen zu werden. Dieses Beispiel zeigte für ihn, wie mächtig und gleichzeitig ambivalent das Prinzip der Gastfreundschaft sein könne.

Oft nur Fassade und ein schöner Schein
Doch Gastfreundschaft sei nicht nur Gegenstand des Lobes – sie werde auch kritisch betrachtet. So habe Dionysios Chrysostomos in der Antike bereits erkannt, dass sie bei Wohlhabenden oft nur Fassade sei – ein schöner Schein, hinter dem sich eigennützige Erwartungen verbargen. Man hoffe «eigene Leistungen mit hohem Zins zurückzubekommen». Und auch umgekehrt könne der reiche Gast mit seinem Status subtil Druck ausüben – Gastfreundschaft verwandle sich dann in eine verdeckte Machtdemonstration.

Urs Zeller stellte schliesslich die Frage, was in unserer heutigen Gesellschaft unter Gastfreundschaft verstanden werde. Sie sei meist verbunden mit einem herzlichen Empfang, guter Bewirtung und einladender Atmosphäre. Persönlich habe er erlebt, wie viel Herzlichkeit in echter Gastfreundschaft liege: «Danke, dass du mir das Gefühl gegeben hast, so willkommen zu sein!»

Die sieben Säulen der Gastfreundschaft vor, nämlich: Selbstbewusstsein, Gästebewusstsein, Verbundenheit, Authentizität, Vorfreude, Ausrichtung und Präsenz seien keine theoretischen Konzepte, sondern konkrete Prinzipien, die das Gästeerlebnis verändern könnten. «Im Kerndreht sich Gastfreundschaft immer um Menschen.»

Gastfreundschaft, sagte er weiter, sei mehr als nur eine offene Tür – es seien die kleinen und grossen Gesten, die einen Raum mit Leben füllten. Dazu gehörten gutes Essen, gute Getränke, anregende Gespräche, und vor allem: eine gute Geschichte.

Im Geist und im Herzen offen sein für Neues
Peter Kirchschläger plädierte in seinem Gastvortag dafür digitale Entwicklung bewusst, verantwortungsvoll und im Sinne des Gemeinwohls zu gestalten. Foto: Uwe Guntern

KI ist nicht von sich aus gut oder schlecht

Nach der Lagersitzung und der Schlossführung traf man sich wieder im Schlosskeller zum Gastvortrag. Referent war Prof. Dr. theol. lic. phil. Peter Kirchschläger, Leiter des Instituts für Sozialethik ISE Universität Luzern und Gastprofessor an der ETH Zürich. Unter dem Titel «Digitale Transformation und Ethik» legte er seine ethischen Überlegungen zur Robotisierung und Automatisierung von Gesellschaft und Wirtschaft und zum Einsatz von «Künstlicher Intelligenz» dar.

Kirchschläger machte deutlich: Technik ist nicht von sich aus gut oder schlecht – es kommt darauf an, wie wir sie einsetzen und welchen moralischen Prinzipien wir folgen. Er warnte davor, nur nach wirtschaftlichem Nutzen zu fragen. Stattdessen forderte er, dass die Menschenwürde, Gerechtigkeit und der Schutz der Schwächsten im Zentrum stehen müssen. Besonders wichtig ist ihm dabei, dass Menschen nicht durch Technik ersetzt oder entmündigt werden, sondern dass Technologien den Menschen dienen – nicht umgekehrt.

Er sieht die Gefahr, dass durch Digitalisierung soziale Ungleichheiten zunehmen, etwa wenn Arbeitsplätze verloren gehen oder persönliche Daten missbraucht werden. Kirchschläger zeigte aber auch, wie digitale Mittel im Gesundheitswesen, in der Bildung oder für mehr Nachhaltigkeit sinnvoll eingesetzt werden können – wenn man klare ethische Leitlinien verfolgt.

Der Vortrat war ein Appell, die digitale Entwicklung bewusst, verantwortungsvoll und im Sinne des Gemeinwohls zu gestalten. Es verbindet technisches Verständnis mit ethischem Denken und richtet sich an alle, die Zukunft nicht nur technisch, sondern auch menschlich gestalten wollen.

Uwe Guntern

Über den Autor

Uwe Guntern ist Redaktor der Odd Fellows Zeitschrift.

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