Die Erasmus-Loge Nr. 39 ist gegründet

Am 20. Juni 2024 wurde die Erasmus-Loge Nr. 39 in Zürich gegründet. Der nachstehende Beitrag beschreibt Weg von der Idee bis zur Gründung der Erasmus-Loge.
Die Beamten der Erasmus-Loge Nr. 39. Fotos: Uwe Guntern

Die Idee
Die Vita und damit die Person von Desiderius Erasmus von Rotterdam (1464 evtl. 1469 – 1536) brachten mich auf die Idee für eine neue Loge, dies nach dem Untergang der Gottfried Keller-Loge Nr.20 in Zürich.
Erasmus wurde als nichtehelicher Sohn eines holländischen Priesters und dessen Haushälterin geboren. Das scheint zu damaligen Zeit keine Ausnahme gewesen zu sein. Mit dem Namen Desiderius, den er selber dem bestehenden etwa 1510 hinzufügte, wollte Erasmus zeigen, dass er als unehelicher Sohn durchaus erwünscht war. Schon damit erweist sich Erasmus als ungewöhnliche Persönlichkeit seiner Zeit. Dies bestätigt die Inschrift auf seinem Grabmal im Basler Münster:

«Dem Desiderius Erasmus von Rotterdam, dem in jeder Beziehung grossartigen Mann, dessen unvergleichliche Bildung in jeder Art der Wissenschaften – verbunden mit gleichwertiger Klugheit – die Nachwelt bewundern und preisen wird, haben Bonifacius Amerbach, Hieronymus Froben und Nicolaus Bischoff dem ausgezeichneten Patron, nicht für sein Andenken, das er selbst durch Herausgabe seiner geistigen Arbeiten unsterblich gemacht hat, durch die es solange, als der Erdenkreis stehen wird, weiterleben und mit den Gebildeten aller Völker sprechen wird, sondern für seinen sterblichen Körper, diesen Stein gesetzt.»

Die Basler Bischoff, Froben und Amerbach waren Mitglieder des Basler Humanisten-Zirkels. Ihnen ist der Grabstein mit der zitierten Inschrift zu verdanken!

Erasmus hinterliess ein geistiges Erbe, das uns bis heute beschäftigt und befruchtet.
Nachstehend drei Beispiele für die geistige Hinterlassenschaft des Erasmus:

Kirchliche Kreise sehen in erster Linie Erasmus’ Impulse für den Ökumenismus. Dafür zeugt die von Erasmus gezeigte Ablehnung der Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert und das Vertrauen in die innere Reformfähigkeit der Katholischen Kirche.
Vorab katholische Kreise sehen ihre Kirche deshalb noch heute in der Schuld von Erasmus, wenn es um den Beweis der Reformfähigkeit des Katholizismus geht.

Der katholische Theologe Edward Fröhling (*1975) meint dazu: «Erasmus wirkt fort als Reformator der Kirche. Viele seiner Themen, das müssen vor allem wir als Katholiken eingestehen, sind bis heute nicht eingelöst. Und in dem Sinne sind die Schriften von Erasmus für uns Heutige immer noch herausfordernde Reformationsschriften!»
Nikolaus Schneider (*1947), evangelischer Theologe, äussert sich zur Aktualität von Erasmus wie folgt: «Es hat durch die Jahre immer wieder Versuche gegeben, die Kirchenspaltung zu überwinden und das war meistens auf der Basis von Ideen und Vorstellungen, die Erasmus geliefert hat! Also kann man sagen, er gibt bis heute Impulse für den Ökumenismus.»

Susanna Burghartz (*1956) Historikerin an der Universität Basel, subsumiert unter dem Namen Erasmus das sogenannte «Erasmus-Programm» ein europäisches Studentenaustausch Programm. Es beruht auf der Zusammenarbeit der europäischen Universitäten, dank der sich die heutigen Studierenden europaweit niederlassen und studieren können.

Viele Wissenschaftler sehen Erasmus als kosmopolitischen Vordenker und als einen der grössten Gelehrten seiner Zeit. Das wird zusätzlich zum obenerwähnten Ökumenismus auch im Verhältnis von Erasmus zu Thomas von Aquin (1225-1274) sichtbar: Erasmus hatte zeitlebens ein intellektuelles Ziel, das er beharrlich verfolgte: er wollte eine Wiederbelebung des Christentums, wie es zur Gründerzeit bestand.Historisch gesehen wünscht sich Erasmus ein Christentum, das die Wurzeln im Judentum, des damals römisch besetzten Palästina hat. Die prägende Figur der damaligen Zeit ist der jüdische Wanderprediger Jesus von Nazareth.
Erasmus sah jedoch die Scholastik des Kirchenvaters Thomas von Aquin als Hindernis für sein Unterfangen. Auch darüber liesse sich einiges sagen, vielleicht ein anderes Mal.

Gross-Maschallin Barbara Streit überreicht dem Obermeister Guido Margaroli den Freibrief.

Was wird die Erasmus-Loge prägen? Meines Erachtens sind es zwei Merkmale: einerseits wie erwähnt, die Figur von Erasmus und andererseits die daraus abzuleitenden Motivationen für unseren Alltag, daraus entsteht die folgende den Frage:

Ist Erasmus noch eine Referenz für uns Heutige?
Erasmus ist natürlich in erster Linie ein Bürger seiner Zeit und diese ist mit unserer Epoche nicht zu vergleichen. Dennoch verfügt Erasmus über Fähigkeiten, die auch heute weit oben auf der Werteskala stehen! So war Erasmus international tätig, intelligent und einfühlsam, und das alles auf einem sehr hohen kulturellen Niveau. Heute würde man Erasmus als «networker» bezeichnen, denn er unterhielt zu den damaligen führenden Persönlichkeiten beste Verbindungen.
Wir wollen uns mit dem Leben von Erasmus befassen, denn er war schon als Jugendlicher ein gelehriger Schüler. Sein Onkel Peter bringt ihm Latein bei, er erhält Musikunterricht in Utrecht und entwickelt seine Lateinkenntnisse bei den Klosterbrüdern von Deventer. Dort befasst er sich mit den Schriften des niederländischen Frühhumanisten Rudolf Agricola (1444 – 1485). 1492, also mit 28 Jahren, wird Erasmus zum katholischen Priester geweiht und zwar im Kloster der Augustiner und es sieht so aus, dass er in die Klostergemeinde aufgenommen werden soll. Doch er verlässt das Kloster und wird es nie wieder betreten!

Seine Welt ist die des intellektuellen Freidenkers und da wird er ein Protagonist. Er studiert Theologie an der Pariser Sorbonne und hat dadurch Zugang zur europäischen Wissens-Elite.
Darunter ist auch Thomas Morus (1478 – 1519) englischer Lordkanzler und Berater der Königsfamilie, da ist zudem John Colet (1467 – 1519), katholischer Kleriker und Wegbereiter der Reformation in England. Vor allem die Verbindung mit Thomas Morus zählt zu den wichtigsten. Morus verfügt über gute Beziehungen zum englischen Königshaus und davon profitiert auch Erasmus. So lernt er den jungen Prinzen Heinrich, dem späteren König Heinrich VIII (1491 – 1547) kennen. Als sich Heinrich VIII als englischer König scheiden lässt und eine neue Ehe eingeht, lehnt das der Papst ab. Das lässt sich Heinrich VIII nicht bieten! Er verlässt den Katholizismus und gründet die Anglikanische Kirche, die vom römischen Papst unabhängig ist. Erasmus versucht mässigend auf den König einzuwirken allerdings ohne Erfolg.

Ein weiterer Partner im Netzwerk von Erasmus ist Lord Mountjoy (1478 – 1534), ein englischer Adeliger, der in Paris bei Erasmus studierte. Später wird Mountjoy Chemiker und Mathematiker und ein Erneurer des Wissens in seiner englischen Heimat. Mit Erasmus verbindet ihn nach seiner Zeit in Paris eine persönliche Freundschaft. 1499 folgt ihm Erasmus nach England und wohnt in seinem Haus in Oxford.

Erasmus hat die europäischen Länder intensiv bereist. In dieser Hinsicht war er ein Kosmopolit, der in dendamaligen Zentren Europas zu Hause war.

Erasmus war auch ein äusserst produktiver Literat, dem im Jahre 1500 mit seinem Werk «Adagia» ein eigentlicher Bestseller gelang. Darin kommentierte er 827 Sprichwörter in Latein und Griechisch.
Er verfasst etwa 150 Bücher und zwar ausschliesslich in Latein, der Lingua Franka seiner Zeit.

 

Die neue Loge und ihr Name
Die Wahl des Namens der neuen Loge ist für die Gründer Verpflichtung und Bekenntnis zugleich. Eine Verpflichtung, weil die Erasmus-Loge die Freiheit der Gedanken befördert und ein Bekenntnis zur Vielseitigkeit dieser liberalen Denkweise. Darin liegt der Nutzen dieser Loge für uns Heutige. Das Denken in historischen Zusammenhängen, das Geschichtsbewusstsein, konkretisiert den Nutzen und die Offerte der Erasmus-Loge. Wenn wir Heutigen daraus noch die Einsicht gewännen, dass unsere Art schon viel früher einmal das Mass der Dinge war, dann wäre unser heutiger Auftritt schon etwas gemässigter!

Bezugspunkte der Erasmus-Loge
Die neue Loge hat einen bedeutenden Bezugspunkt im Format «Philosophie am Mittag» das vom Verfasser dieses Artikels initiiert und geführt wird. «Philosophie am Mittag» zählt heute 28 Schwestern und Brüder, die auf mehrere Logen der deutschen Schweiz verteilt sind und an Philosophie interessiert sind. Damit ist auch

Mehr als einmal wurde auf die Erasmus-Loge angestossen.

Auszug aus der Rede des Obermeisters Guido Margaroli

«Etwas anderes wäre nicht mehr zeitgemäss»

Zu unserem Logenstart möchte ich im Sinne von Erasmus von Rotterdam, mit einem seiner etwas satirisch gemeintem Zitate beginnen:

Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.

 Vor zirka einem Jahr entwickelte unser Bruder Fabio Dal Molin die Idee eine gemischte Loge in Zürich zu gründen, nachdem er in Italien Initiator und Verantwortlicher für 4 Logengründungen gewesen war. Im Rahmen der monatlichen Philosophie-am-Mittag Veranstaltung der OF in Zürich, die Bruder Fabio sehr engagiert und motiviert führt ist er dann an mich herangetreten, wie ich diese Idee sähe.
Ich bin Gründungsmitglied der Limmatloge und hatte diese Loge von 2008 bis 2010 als OM geführt. In diesem Zusammenhang hatte ich damals schon am Rande abgetastet ob eine Umwandlung in eine gemischte Loge möglich wäre. Ich habe dann aber schnell festgestellt dass dies bei einer bestehenden und soweit funktionierenden Loge fast nicht durchführbar wäre. – Mitgliederwachstum

Im 2023 mussten dann in Zürich überalterungshalber die GKL-Loge und die F+R-Loge schliessen.
Die Neugründung einer Loge in dieser Folge ist nun ja gewissenermassen der Phönix der da wieder aus der Asche steigt.
Ich hatte aber aktuell auch noch meine Kinder und jüngere Bezugspersonen gefragt wie sie eine gemischte Loge sehen. Die Antwort war: ja klar, etwas anderes wäre nicht mehr zeitgemäss.
Diesbezüglich müssen die Logen in den USA heute sogar von Gesetzes wegen als gemischte Logen funktionieren.
Insofern war es also ein Kopf- wie auch ein Bauchentscheid dass ich Bruder Fabio bei der Neugründung einer gemischten Loge in Zürich unterstützen wollte.
Sehr verdankenswerterweise konnten die Brüder der GKL-Loge sich dazu bereit erklären, diese Neugründung aus ihrem Nachlass finanziell zu unterstützen. Ganz herzlichen Dank in diesem Zusammenhang an die Brüder der ehemaligen GKL-Loge. Ohne diesen Zustupf wäre und ist die Neugründung der Erasmus-Loge gar nicht möglich.
Bruder Fabio hat über die ganze Zeit, ich drücke dies nun nochmals in der Art von Erasmus aus; wie ein Moses, der seinen Leuten das Meer für das Weiter-kommen teilte, dieser und früheren Logengründung den Weg geebnet. Einen besonderen Dank an dieser Stelle an Bruder Fabio Dal Molin.
Ganz herzlich muss ich auch unserm GS Urs Zeller danken, der die Neugrundung von Beginn weg mit einem positiven Feedback unterstützt hat und bei Problemen und Fragen, uns immer sofort mit Rat und Tat zur Seite stand. Einen grossen Dank aber auch an die gesamten Ordensleitung die wie ihr heute seht, viel Zeit und Engagement für den Orden einsetzt.
Aktuell und zum Start am heutigen Tag ist nun auch das Team der Erasmusloge seit ca. einem Monat in Aktion getreten. Den Schwestern und Brüdern, die sich und ihre Zeit für diese Neugründung zur Verfügung stellen und nun sehr engagiert diesen Anlass ermöglichen konnten, möchte ich an dieser Stelle natürlich auch ganz herzlich danken.

 

Auszug aus der Rede des Gross-Sires Urs Zeller

 «Ein geschichtsträchtiges Datum»

 Noch vor nicht allzulanger Zeit war es undenkbar, dass wir in der Schweiz gemischte Odd Fellow Logen gründen werden. Bisher waren nach Geschlechtern getrennte Logen üblich. Mit der gesellschaftlichen Entwicklung sind gemischte Logen dem Zeitgeist entsprechend eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Nun ist also die erste gemischte Loge Realität
So gesehen, ist heute für uns Odd Fellows ein geschichtsträchtiges Datum. Logengründungen sind in unserer Zeit per se eine Seltenheit. Abgesehen von der Fusion der Basler Loge zu den Drei Ringen diesen Frühling war die letzte richtige Gründung vor 30 Jahren mit der inzwischen leider wieder geschlossenen Frauenloge Anna Heer in Aarau.
Um so mehr freut es mich, heute die Gründung der Erasmus-Loge Nr. 39 in Zürich feiern zu können. Obwohl es sich eigentlich eher um eine Wiedergeburt der Gottfried Keller Loge und der Felix und Regula Loge handelt.
Eine neue Loge bedeutet, neue Möglichkeiten und neue Chancen. Bedenkt dabei jedoch, dass mit der Gründung allein die Probleme noch nicht gelöst sind. Denn «Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer». Ein einzelnes positives Ereignis bedeutet noch nicht einen langfristigen Erfolg.
Es ist wichtig für ein Team, sich nicht nur auf einen Spieler zu verlassen. Denken wir an unser Symbol der gebündelten Stäbe: Alleine können wir wenig erreichen, gemeinsam können wir viel erreichen.
Erinnern wir uns an unsere Werte Freundschaft, Liebe, Wahrheit:

Freundschaft ist eine tiefe Verbundenheit zwischen Menschen, die auf Vertrauen, Respekt und Unterstützung basiert.

Liebe ist ein starkes Gefühl der Zuneigung und Fürsorge, das uns dazu bringt, das Wohl anderer über unser eigenes zu stellen.

Wahrheit ist die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in unseren Handlungen und Worten, die das Fundament für Vertrauen und Integrität bilden.

Möge eure Zusammenarbeit fruchtbar und erfüllend sein. Jeder Einzelne soll seinen Beitrag zum Wohl der Gemeinschaft leisten, denn schlechtes Teamwork ist, wenn aus einer To do Liste eine Tu du Liste wird.

Ich wünsche Euch alles Gute für eure gemeinsame Zukunft!

Laut Mahatma Gandhi basiert die Zukunft auf dem, was wir heute tun. Für Abraham Lincoln ist das Beste an der Zukunft, dass sie uns immer einen Tag nach dem andern serviert wird. Und Albert Einstein interessierte die Zukunft mehr als die Vergangenheit, denn in ihr gedenke er zu leben.  

Fabio dal Molin

Über den Autor

Fabio dal Molin ist Odd Fellow und Mitglied der Helvetia-Loge, Zürich

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