Neu wird es ein Gross-Marschall weniger geben. Dies ist möglich, da in in der Deutschschweiz die Betreuung durch die Ordensleitung auf vier Regionen reduziert wurde. Dagegen wird es zwei Deputierte Gross-Sires geben: Michel Greis von der Rheinfall-Loge Nr. 9 in Schaffhausen und Barbara Streit-Suter von der Frauen-Loge Nr. 2 «Anna Seiler» in Bern, wodurch die Frauen besser in der Ordensleitung. Repräsentiert sind.
Neuer Gross-Sire ist Andreas Grögler von der St.-Ursen-Loge Nr. 32 aus Solothurn.
Mehr Aufmerksamkeit den Wert und ihre Umsetzung
In seiner Schlussansprache betonte der neue Gross-Sire, dass der Orden in den vergangenen Jahren viele Projekte erfolgreich abgeschlossen habe. Nun sei die Zeit gekommen, den eigenen Werten und deren Umsetzung mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Er eröffnete seine Rede mit einem Zitat von Albert Einstein, wonach der intuitive Geist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener sei. Diese Worte hätten ihn beeinflusst und seine Gedanken zur Zukunft der Odd Fellows geprägt. Andreas Grögler erklärte, dass Intuition der Motor für Neues sei, während die Ratio unterstützend wirken solle. Ohne Intuition könne weder Wachstum noch echte Erneuerung stattfinden. Auch die Odd Fellows müssten sich immer wieder neu erfinden und ihre Intuition aktiv nutzen.
Er hob hervor, dass die Odd Fellows seit jeher beides miteinander verbunden hätten: rationales Handeln und die Pflege des intuitiven Geistes, etwa durch Symbole und Rituale. Diese schüfen einen Raum, um die Transzendenz in die Arbeit der Logen zu integrieren. Insbesondere die Achtsamkeit, wie sie im Aufnahmegrad thematisiert werde, spiele dabei eine zentrale Rolle: Es gehe darum, die feinen Impulse der Intuition wahrzunehmen, zu reflektieren und gezielt umzusetzen.
Er stellte klar, dass es sein Ziel als Gross-Sire sei, diesen intuitiven Anteil stärker ins Bewusstsein zu rücken. Die Ordensleitung verstehe sich als Partner der Logen und Lager und wolle sie auf diesem Weg begleiten. Verschiedene Kulturen und Traditionen innerhalb des Ordens betrachtete er nicht als Hindernis, sondern als eine grosse Bereicherung.
Er zeigte sich überzeugt, dass diese Fokussierung auf das «Heilige», wie er es nannte, die Strahlkraft der Odd Fellows in der ganzen Schweiz stärken werde. Jeder Bruder und jede Schwester solle die Möglichkeit haben, an diesem grossen Werk mitzuwirken. Der Gross-Sire betonte die Wichtigkeit der Wertevermittlung, sowohl zur Stärkung der internen Überzeugung als auch als Basis für die Gewinnung neuer Mitglieder. Nur wer selbst begeistert sei, könne diese Begeisterung auch nach aussen tragen.
Aussergewöhnlich statt überzählig
Besonders wichtig war ihm eine neue Interpretation der eigenen Identität: Das Wort «Odd» solle nicht länger nur als «überzählig», sondern als «aussergewöhnlich» verstanden werden. Odd Fellows seien Menschen, die bereit seien, mutige und neue Wege zu gehen, ohne dabei überheblich zu wirken. Mut sei der erste Schritt in eine erfolgreiche Zukunft, zitierte er Goethe.
Unter dem Jahresthema «Wege entstehen dadurch, dass man sie geht» machte Andreas Grögler deutlich, dass die Vielfalt innerhalb des Ordens eine seiner grossen Stärken sei. Unterschiedliche Schwerpunkte seien erlaubt und gewünscht, solange sie auf den gemeinsamen Werten basierten. Gerade diese Lebendigkeit und Individualität prägten die Odd Fellows.
Er schloss mit der Vision, dass jedes Mitglied seine eigene Inspiration einbringen und weiterentwickeln solle. Nur so könne der Orden wachsen und sich in eine erfolgreiche Zukunft bewegen. In diesem Geist wolle er gemeinsam mit allen Brüdern und Schwestern die kommenden Jahre gestalten.

Arzt, Asienliebhaber und Kulturenthusiast
Andreas Grögler ist neuer Gross-Sire. Was ist er für ein Mensch? Was sind seine Inspirationen und Leidenschaften?
Wo bist du aufgewachsen?
Ich bin in Wabern bei Bern aufgewachsen. Meine Eltern waren beide sehr vielseitig interessiert – meine Mutter war Pianistin, sie liebte Kunst und Literatur, mein Vater arbeitete an der Universität Bern, wo er unter anderem Mondsteine erforschte, die er direkt bei der NASA in Houston abgeholt hat.
Das klingt nach einem inspirierenden Elternhaus.
Absolut. Gleichzeitig machte er aber auch Altersbestimmungen für Museen und Antiquitätenhändler und war ein historisch und archäologisch interessierter Mensch. Seine Bibliothek war riesig und sehr inspirierend. Sie reichte von den Klassikern der Weltliteratur bis zu wissenschaftlichen Büchern.
Und auch deine Mutter hatte einen besonderen Bezug zur Kultur?
Ja, sie hatte in Wien Musik studiert – und mein Vater war dort aufgewachsen. Bei Reisen nach Wien war da meine liebe Grossmutter (für mich die beste Geschichtslehrerin), aber auch eine echte Prinzessin, die uns die Stadt zeigte. Daher stammt wohl auch meine Liebe zu Wien, der dortigen Geschichte und Kultur. Im Speziellen auch für Autoren wie Nestroy, Kreisler und die sog. Kaffeehausliteratur.
Wie kamst du zu deiner Faszination für Asien?
In Vaters Bibliothek gab es auch Bücher über Asien. Das hat mich speziell fasziniert. Darunter waren Bücher zum Buddhismus und Zen. Ich habe bald japanische Sportarten begonnen und mich weiter damit beschäftigt. Aber ich habe mit meinen Eltern auch viel Kultur live erlebt von der Oper über Konzerte zum Schauspiel. Mein Bruder Stephan wurde später sogar Opernregisseur. Das Kino habe ich später noch für mich entdeckt
Wie verlief dein Bildungsweg?
Nach der Rudolf-Steiner-Schule, die Künstlerisches sehr förderte, habe ich das Feusi Gymnasium besucht, die eidgenössische Matura gemacht und das Medizinstudium in Bern angeschlossen. In dieser Zeit habe ich auch meine Frau Eriko kennengelernt, mit der ich meine Interessen diskutieren, mich austauschen konnte. Ich bin nach Japan geflogen und wir haben geheiratet.
Wie ging es nach dem Studium weiter?
Nach dem Staatsexamen hatte ich verschiedene Assistenzarzt Stellen. Der Gwunder, Neues zu entdecken, blieb mir aber. Parallel zum Beruf habe ich nach – Erfahrungen in Japan – begonnen in Genf traditionelle chinesische Medizin zu studieren. Ich hatte aber auch immer noch Interesse an Literatur, Philosophie und Religionen, und ich habe eine Teezeremonie-Ausbildung in Japan begonnen. Meine Schwiegereltern waren mir auch da eine riesige Hilfe und grosse Vorbilder. Rituale wurden damals für mich zu einem wichtigen Thema
Gibt es Figuren aus der japanischen Geschichte, die dich besonders geprägt haben?
Ja, zum Beispiel Miyamoto Musashi (1584 bis 1645 n.Chr.), ein Samurai, der wegen seiner Zwei- Schwert-Technik unbesiegbar war und auch dichtete, malte, und Philosoph war. Das glich so ein wenig meinem Ziel, asiatische und westliche Medizin zu verbinden („Zwei Himmel in einer Linie», nannte Musashi seine Zwei-Schwert-Technik) . Auch Shotoku Taishi (574 bis 622 n.Chr.) faszinierte mich. Er war ein Prinz der Tenno-Familie und damit tief in der Shinto-Religion verwurzelt (der Tenno ist ja eigentlich der Papst des Shinto). Shotoku Taishi hat für Japan die erste Verfassung geschrieben, deren erster Artikel beginnt mit: «Die Harmonie soll hoch geachtet werden…». Wenn das praktiziert würde, wäre die Geschichte heute eine andere.Ebenfalls war er verantwortlich dafür, dass der Buddhismus und die Philosophie den Weg vom chinesischen Festland nach Japan fanden und er hat sie da selbst unterrichtet.
Wie entstand dein eigenes Zentrum für chinesische Medizin?
Nach der anstrengenden Assistenzzeit habe ich mich entschieden ein Zentrum für traditionelle chinesische Medizin in Solothurn zu eröffnen. Ich hatte dort die Aufgabe, hausärztlich zu arbeiten, aber auch die traditionelle chinesische Medizin verständlich zu erklären. Viele interessante Begegnungen mit chinesischen Professoren habe ich da erlebt. Besonders war da aber auch der alte Professor Lu Zhizheng, der die TCM wirklich lebte – sehr eindrucksvoll.
Hast du dein Wissen weiter ausgebaut?
Ja, ich absolvierte in München eine Ausbildung in Ein-Nadel-Technik. Ich habe in der Folge meine Praxis mit Hilfe einer Arztkollegin in eine Gemeinschaftspraxis umgebaut, sodass ich jetzt Schulmedizin und TCM gemeinsam praktizieren konnte – ohne chinesische Spezialisten. In der Praxis arbeiten heute drei Hausärzte und drei Gynäkologinnen.
Zum Abschluss noch diese Frage: Wie kamst du zu den Odd Fellows?
Durch meinen Hausnachbarn. Meine vielen Interessen konnte ich hier wunderbar leben. Ich schätze insbesondere die vielen spannenden Gespräche mit den Brüdern und Schwestern. Ich habe auch zu unseren Themen viel gelesen, entdeckte Odd-Fellow-Literatur und Philosophen wie Paul Ricoeur, C.G. Jung usw. Persönlichkeiten wie Charles Spencer Chaplin und Queen Elisabeth II sind für mich Vorbilder der Odd Fellows. Aber auch die Kontakte mit den Rosenkreuzern (AMORC) und den Freimaurern sind für mich immer wieder eine Inspiration.